F. ZAWREL – ERBBIOLOGISCH UND SOZIAL MINDERWERTIG von Nikolaus Habjan.
Ein persönlicher Erlebnisbericht.
Das Stück endet mit diesem Gedicht von Erich Fried.
Naja, was soll ich sagen. Ich geh ins Pfarrhaus von Feldkirchen bei Graz. Vor mir sitzen ein paar Einheimische mit einer Flasche Weißwein und Gläsern. Die Dame erzählt, sie hat schon von diesem Habjan gehört, er sei ein berühmter Bauchredner.
Hmmm...
Das Stück beginnt. Einfaches Bühnenbild - weiße aber verschmutzte Leintücher, Tisch und Stühle.
Habjan kommt auf die Bühne und steckt seine Hand in den Kopf einer Puppe. Ungefähr 1-2 Minuten dauert es bei mir, in denen ich realisiere, dass dies kein Bauchredner ist. In dieser Zeit schaue ich noch, wie Habjan spricht und spielt und was da überhaupt passiert.
Doch dann reißt mich seine Puppe aus meinem Alltagskoma.
Zack! Ein Sprung ins kalte Wasser. Zawrel und Habjan nehmen mich auf eine Reise mit. Eine Reise aus Emotionen wie unaussprechlicher Trauer und Wut, aber trotzdem auch von unglaublicher Lebensfreude und Mut. Eine Zeitreise mit einem Zeitzeugen der die Geschichte Österreichs vom Anschluß 1938 bis jetzt erlebt hat. Ich werde mit reiner und unverfälschter (un)Menschlichkeit konfrontiert. Gedanken die mir durch den Kopf gehen: Menschliche Kälte, Grausamkeit, Opportunismus, Selbstbetrug, Manipulation, Verdrängung, soziale Brutalität, Geschichtsverzerrung, Seilschaften der Eliten, Rückgratlosigkeit von Politikern.
Aber vor allem Hoffnung und irgendwie auch Optimismus!
Wenn dieser Zawrel trotz dieser Umstände so voller Lebensfreude und Humor sein kann. Und er so er selbst bleiben kann. Dann können das andere unter den jetzigen Umständen vielleicht auch.
Und ich traue es mich fast nicht sagen. Aber. Dann kann ich das auch!
Ich habe gehört, dass Habjan nach vielen Interviews mit Zawrel (nicht lange vor dessen Tod) dieses Stück geschrieben hat. Das Stück soll nur aus Zitaten aus diesen Interviews bestehen. Die Puppen sind selbst gemacht.
Auf jeden Fall schaffen diese Puppen und auch Habjan (er spielt selbst mit) es, mich für einige Zeit aus der Fernseh-, Konsum-, und Flachmediengleichgültigkeit aufzuwecken. Am liebsten würde ich während des Stücks so richtig weinen, doch ich gestehe mir nur ein paar kleine Tränen auf meinen Wangen zu.
Das Stück endet mit diesem Gedicht von Erich Fried.
Was geschieht
Es ist geschehen und es geschieht nach wie vor und wird weiter geschehen, wenn nichts dagegen geschieht.
Die Unschuldigen wissen von nichts, weil sie zu unschuldig sind und die Schuldigen wissen von nichts, weil sie zu schuldig sind.
Die Armen merken es nicht, weil sie zu arm sind und die Reichen merken es nicht, weil sie zu reich sind.
Die dummen zucken die Achseln, weil sie zu dumm sind und die Klugen zucken die Achseln, weil sie zu klug sind.
Die Jungen kümmert es nicht, weil sie zu jung sind und die Alten kümmert es nicht, weil sie zu alt sind.
Darum geschieht nichts dagegen und darum ist nichts geschehen und geschieht nach wie vor
und wird weiter geschehen, wenn nichts dagegen geschieht.
Standing Ovation.
Doch die Frau, die von Habjan schon gehört hatte, meint lapidar "Ich glaube, dieser Habjan hört sich gern reden".
Doch die Frau, die von Habjan schon gehört hatte, meint lapidar "Ich glaube, dieser Habjan hört sich gern reden".
Hmmm.
Ich bleibe noch ein bisschen sitzen. Und ich weiß, ich habe einen Auftrag.
PS: Das Stück gibt es jetzt auf DVD!
PS: Das Stück gibt es jetzt auf DVD!
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