Samstag, Januar 16, 2016

...über den angepaßten Menschen


Heute eine Videoauschnitt (Essential) eines Interviews mit Erich Fromm.
Hier das Videotranskript:
"Die Normalsten sind die Kränkesten und die Kranken sind die Gesündesten. Das klingt geistreich oder vielleicht zugespitzt, aber es ist mir ganz ernst damit, es ist keine witzige Formel. Der Mensch, der krank ist, der zeigt, dass bei ihm gewisse menschliche Dinge noch nicht so unterdrückt sind, dass sie in Konflikt kommen mit den Mustern der Kultur und dass sie dadurch, durch diese Friktion, Symptome erzeugen.
Das Symptom ist ja wie der Schmerz nur ein Anzeigen, dass etwas nicht stimmt. Glücklich der, der ein Symptom hat. Wie glücklich der, der einen Schmerz hat, wenn ihm etwas fehlt. Wir wissen ja, wenn der Mensch keinen Schmerz empfinden würde, wäre er in einer sehr gefährlichen Lage.
Aber sehr viele Menschen, das heißt die Normalen, die sind so angepasst, die haben so alles, was ihr Eigen ist, verlassen, die sind so entfremdet, so Instrumente, so robothaft geworden, dass sie schon gar keinen Konflikt mehr empfinden. Das heißt, ihr wirkliches Gefühl, ihre Liebe, ihr Hass, das ist schon so verdrängt oder sogar so verkümmert, dass sie das Bild einer chronischen leichten Schizophrenie bilden.
[Schnitt]
[---] dass der Mensch, wie das Marx auch gesagt hat, seine Geschichte macht. Der sagte einmal, die Geschichte tut gar nichts, sie kämpft keine Kämpfe und sie gewinnt keine Schlachten. Es ist der Mensch, der alles tut.
Dieser Mensch aber wird beeinflusst von seiner Umgebung und zwar nicht nur im Sinne der französischen Aufklärungsphilosophie, der Umgebung oberflächlich gesehen, sondern der Struktur der Gesellschaft, in der er lebt, die eine Tendenz hat, nämlich seine psychischen Energien so zu gestalten, dass der Mensch das gerne tut, was er tun muss, damit diese Gesellschaft in ihrer speziellen Form existieren kann"

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